Lernen, lernen, lernen und ein Lichtblick
Was es damit auf sich hat, erklärt uns Gesa in einem Bericht von den letzten 6 Wochen.
„Seit Anfang Dezember habe ich mich in Argentinien mit meiner Trainingsgruppe in einem dreiwöchigen Trainingslager an die Atlantikdünung, die warmen Temperaturen (auf der Südhalbkugel ist ja im Moment Sommer) und das Leben vor Ort gewöhnt (siehe hierzu auch meinen Bericht auf der Homepage).
Weihnachten habe ich mit meinem Bruder in Montevideo/ Uruguay verbracht. Das war eine ganz gute Abwechslung nach den vielen Trainingseinheiten. Hannes ist dann in Buenos Aires geblieben, um noch eine Woche in Patagonien dranzuhängen und für mich ging es kurz vor Ende des Jahres in das Pre-Training für die WM. Die Boote waren ein wenig besser als die im Trainingslager (zumindest lief kein Wasser mehr ins Boot), obwohl sich bei uns allen Blöcke und Ausreitgurte regelmäßig in den Atlantik verabschiedet haben, die Klemmen teilweise nicht hielten, die Schwerter schief waren und sich das Gelcoat sowie die Mastlöcher aufgrund mangelnder Qualität aufgelöst hatten. Die Bootsbauer von Ziegelmayer, die vor Ort waren, haben einen super Job gemacht und sich um das fremde lokale Material und uns gekümmert.
Silvester haben wir mit Mädels aus Italien, Peru, Chile, Italien, Kroatien und Deutschland sowie einigen Trainern bei einem zünftigen Asado (argentinisches BBQ) gefeiert. Allerdings ging die Party nicht lang, um in den kommenden Tagen fit zu sein. Die Eröffnung fand im Yacht Club Argentino statt und es wurde für uns extra eine Marching Band aufgeboten, um einen stimmungsvollen Einstieg zu zaubern.
Am 5.1. ging es los. Eingeteilt wurden die über 100 Seglerinnen in zwei Gruppen. Ich hatte einen super Einstieg in die Regatta. In meiner Gruppe habe ich mich nach schlauem Ausnutzen einer fetten Wolke bei der ersten Luvtonne plötzlich auf Platz 1 wiedergefunden. Bis zum Ende der Wettfahrt musste ich leider noch 10 Seglerinnen vorbeilassen aber nicht nur ich, sondern auch einige andere haben sich gewundert, dass ich plötzlich da vorne mitgefahren bin. Ich war bester Stimmung nach diesem Lichtblick und bereit für eine zweite Wettfahrt aber aufgrund eines nahenden Gewitters mit Sturzregen fand leider keine weitere Wettfahrt statt. Wie üblich bei großen sechstägigen Regatten, sind zwei Wettfahrten pro Tag geplant. Sofern eine Wettfahrt „fehlt“, wird die am kommenden Tag nachgeholt. Also am zweiten Tag bedeutete das 3. Das schlaucht schon ganz schön, da die Wettfahrtleitung vermutlich auch den Preis für die längste Kreuz gewinnen wollte. Aber egal, schließlich ist es eine WM und keine Jugendwettfahrt. Ich konnte den Schwung aus dem ersten Tag nicht mitnehmen und fand mich dann im Mittelfeld aber immer noch in Schlagweite für die Goldfleet wieder. Am dritten Tag und nach 5 Wettfahrten war ich dann aber doch in der Silbergruppe, in die ich realistischerweise leistungsmäßig gehöre. Die Stimmung in der Trainingsgruppe war nach der Qualifikation eher mau, weil uns Mädels leider nicht gelungen ist, unser Potential abzurufen und wir alle in der Silbergruppe fahren sollten. Ab und zu kneife ich mich und denke, dass die Mädels an der Spitze so viele Jahre (und mehr) segeln, wie ich alt bin. Und Segeln ist halt auch ein Sport, bei dem Erfahrung zählt. Zudem darf ich in Südamerika eine WM segeln. Hey, alles andere sind first world problems… (dazu unten mehr).
Der erste Finaltag sollte eigentlich früh um 10h (statt 13h) beginnen. Allerdings kamen vor Einteilung der Flotten (Gold und Silber) Gerüchte auf, dass eine früher für Russland startende Seglerin für ein anderes Land aber ohne gültigen Pass am Start war. So ging es dann mit Verspätung in den ersten Finaltag. Die betroffene Seglerin war dann plötzlich „weg“ und aus den Listen verschwunden. So wirkt sich die Weltpolitik plötzlich auch auf eine Regatta auf der Südhalbkugel aus.
An den drei Finaltagen habe ich meinen noch im Trainingslager vorhandenen Rhythmus leider nicht wiedergefunden und mich dann Tag für Tag nicht mehr richtig verbessern können. Irgendwie war die Luft raus. Für die Statistik hier die Ergebnisse: https://2024ilca6women.ilca-worlds.org/wp-content/uploads/sites/24/2024/01/Results-FINAL3.html . In der für den DSV relevanten (aber nicht geführten) U23 Wertung hätte ich für den Kader 2025 unter den ersten 10 sein müssen. Ich bin an dem Ziel knapp vorbeigeschrammt und 15. geworden.
Am Ende habe ich viel gelernt und viele positive Eindrücke von der Reise in den Süden mitgenommen:
Essen
Das Essen in Argentinien ist sehr fleischlastig. Das bin ich als Flexitariererin gar nicht mehr gewohnt und trotz der tausende Kilometer langen Atlantikküste findet man Fisch eher selten auf den Speisekarten und Gemüse scheint trotz der beeindruckenden landwirtschaftlichen Aktivitäten beim BBQ eher eine notwendige Pflichtübung zu sein. Café und süße Teilchen schmecken in jeder Variation und sind in vielen kleinen gemütlichen Cafés ein Muss. Eigentlich sind alle Milchprodukte gesüßt und Naturprodukte eher selten.
Land und Leute
Die Argentinier sind sehr hilfsbereit und super freundlich. Egal, ob man kein Spanisch kann, nach dem Weg fragt oder im Supermarkt mal wieder nicht weiß, was Muskatnuss in Landessprache heißt und wo dieser in den Regalen zu finden ist. Sofort zücken die Mitarbeitenden ihre Google Übersetzer und schwuppdiwupp läuft die Konversation (ich stelle mir dann immer einen Argentinier in einem deutschen Supermarkt an der Käsetheke vor- ich bin mir nicht sicher, ob wir dieses Niveau an Offenheit und Freundlichkeit jemals erreichen werden, um ihm so zu helfen, wie uns geholfen wurde). Um es zusammenzufassen: Argentinier kennen keine Probleme, sondern nur Lösungen
Weitere Eindrücke
Das Land wird nach meinem Eindruck von Gegensätzen bestimmt. Ob es die Wirtschaft ist (mal zweistellige Wachstumsraten, dann wieder Rezessionen) mit ihrer aktuell dreistelligen Inflationsrate, den Geldentwertungen, die auch während unseres Aufenthaltes uns von Tag zu Tag reicher erschienen ließ, die sich laufend verändernde politische Landschaft (seit Ende des letzten Jahres versucht ein Neoliberalist „aufzuräumen“) oder aber es die Bauten sind. Moderne Bauten wechseln sich mit mondänen Häusern aus der Blütezeit der argentinischen Agrarindustrie zu Beginn des 20. Jahrhunderts und vielen verfallenen Bauten ab. Alles in allem eine Mischung aus Südeuropa und Bulgarien (vor ich vor rund 2 Jahren auch mal segeln durfte) und am Ende des Tages mit Menschen, die für alle täglichen Probleme eine Lösung zu haben scheinen und sich nicht über alles aufregen, sondern sich daran freuen, was so alles klappt.
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Nach dem Aufenthalt in Argentinien habe ich in Kiel und Köln meine Akkus aufgeladen. Lange schlafen, viel Sport, gutes Essen, ein wenig Studium und ein Besuch bei der „Boot“ in Düsseldorf haben die letzten drei Wochen ausgefüllt. Meine nächste Etappe ist aktuell Athen, wo ich mich auf die Senioren EM (es folgt aktuell ein Großereignis auf das nächste…) vorbereite, die bis zum 23. Februar stattfinden wird. Ende Februar geht es für ein paar Tage nach Berlin auf ein Schnitzel und dann am 1. März weiter nach Palma, um dort die Princesa Sofia Trofeo zu segeln. Bei den beiden Regatten ist das Ziel, viel zu lernen und mich langsam aber sicher weiter nach vorne zu arbeiten. Ergebnisse stehen nicht im Vordergrund aber im Wesentlichen segele ich gegen dieselben Mädels wie in Argentinien. Mal sehen, was geht. Ich berichte weiter und hoffe auf viele gedrückte Daumen.
Eure Gesa"
Bilder: Mattias Cappiziano, Hartmut Papenthin