Mar del Plata- Athen – Pollença – Palma- Kiel- Wannsee

27. Juli 2024
Kategorie: 
Jugend

Was passiert eigentlich mit Seglerinnen in einem olympischen Jahr, wenn frau gerade dem Juniorinnennalter entwachsen ist (ab 21 ist man im ILCA 6 Seniorin), alle Höhepunkte sich statt in 10 nur in drei Monaten abspielen und sich ab April alle Seglerinnen und Segler entweder auf die olympischen Spiele vorbereiten oder sich sportlich und beruflich neu sortieren?
Gesa fasst die ersten Monate des Jahres 2024 nochmal kurz zusammen, die sich von außen wie eine Art Bucket Liste für Reisende liest, sich aber bei näherem Hinsehen nach ziemlichen Strapazen, viel Arbeit und jeder Menge Training und Reisen anhört:

„Als Seglerin, die bis zu den wirklichen Höhepunkten, den olympischen Spielen, noch 4 Jahre (Los Angeles 2028) oder 8 Jahre (Brisbane 2032) vor sich hat, war es schon eine spannende Erfahrung, sich Anfang des Jahres in Argentinien zwischen den älteren Seglerinnen zu tummeln, für die viele die Teilnahme an den olympischen Spielen in Marseille/ Paris DAS Saison- und Karriereziel waren. Als „new kid on the block“ konnte ich zwar einen Achtungserfolg mit einer sehr guten ersten Wettfahrt verbuchen aber am Ende nicht mein gutes Gefühl aus der Trainingsphase im Dezember wiederfinden. Als teilweise ungerecht habe ich es empfunden, wie unterschiedlich streng die einzelnen Nationen die internen Qualifikationen betreiben. In einigen Ländern reicht es, die beste Seglerin des Landes zu sein, ohne im internationalen Vergleich Erfolge zu haben und in anderen wetteifern mehrere Seglerinnen aus der Weltspitze um einen Platz und werden dann nach eher fragwürdigen Kriterien entsandt. In Europa generell ist das Leistungsniveau sehr hoch und entsprechend hart sind die Quali-hürden. Aber für mich galt es, viel zu lernen und auch manchmal daran zu denken, wie privilegiert ich bin, indem ich (auch dank der Unterstützung des Potsdamer Yacht Clubs!) an solchen Events teilnehmen darf. 

Im Anschluss an die WM in Mar del Plata ging es Anfang Februar nach einer kurzen Pause in Kiel gleich zum nächsten Event, der Seniorinnen EM in Athen mit vorgeschaltetem Training weiter. Die EM begann am 18. Februar mit 2 kn Wind und einer Wartepause im Hafen von Kalamaki. Am zweiten sowie am vierten Tag konnten aufgrund der extrem leichtwindigen, wechselhaften Bedingungen gar keine Wettfahren gesegelt werden. Erst am fünften der sechs Regattatage stellten sich die erhofften konstanten Winde mit einer Stärke von 8 bis 12 kn ein. Ich beendete die EM nach insgesamt 7 Rennen auf Platz 31 von 55 im Silver Fleet Ergebnisliste: https://eurilca.eu/ ]. Kein tolles Ergebnis aber irgendwie war durch das viele Warten auch die Luft ein wenig raus. 

Wir machten uns Ende Februar auf den Weg nach Kiel und mein Vater mit dem DSV Bus und unserem gesamten Material auf den Weg von Athen über Patras, Venedig, Arles und Barcelona nach Palma. In Palma stand zunächst in der Bucht ein Training auf dem Programm, bevor es in den Norden nach Pollenca ging. Viele der Seglerinnen, die auch schon in Argentinien und Athen am Start waren, machten sich ebenso auf den Weg über die Insel zum Europacup (8.-10.März). Ließ sich der Wind in Griechenland im Februar noch mächtig bitten, so herrschten an dem Wochenende herausfordernde Bedingungen bei Windstärken von 15 bis über 30 kn. Fünf Wettfahrten konnte das gemischte Feld der ILCA-6-Seglerinnen und -Segler bestreiten. Danach stand für mich im männlich/weiblichen Feld der 55. von insgesamt 120 Plätzen fest. In der Wertung der Seniorinnen war das der 18. Platz. Mal ein kleiner Lichtblick bei wirklich hammerharten Bedingungen. 

Nach einer kleinen Pause stand wieder Palma auf dem Programm, wo eines der letzten Qualifikationsevents für Paris 2024, die Trofeo Princesa Sofía, anstand. So eine Art Kieler Woche in Spanien in diesem Jahr mit hochkarätiger Besetzung.  In allen zehn olympischen Bootsklassen waren dort die weltbesten Seglerinnen und Segler am Start. Das war schon cool, alle mal aus der Nähe zu sehen und ein wenig aus der „ILCA Bubble“ herauszukommen. Für mich lief es so lala und am Ende wieder viel gelernt aber von außen betrachtet viel Arbeit und für mich realistische Ergebnisse mit einem Gesamtplatz 92 von 116 Teilnehmerinnen. Am Ende der Regatta hatte lediglich Julia Büsselberg vom benachbarten VSaW, die schon mit meinem Bruder Opti gesegelt ist, mit Platz 6 ein super Ergebnis in der Weltspitze ersegelt. Damit ist sie mit Abstand beste deutsche Seglerin aber hat formal nicht die vom DOSB geforderte Olympia-Norm (unter den ersten zehn Nationen in einer dieser Regatten und mind. neun Punkte bei WM, EM und PST gesammelt) erfüllt. Den Nationenstartplatz hatte Julia bereits bei der WM 2023 mit ihrem 13. Platz gesichert. Das Daumendrücken hatte Erfolg und ich freue mich, dass Julia trotz allem vom DOSB für Marseille nominiert wurde. Was für ein toller Erfolg und eine Belohnung für die viele harte Arbeit in den letzten Jahren!!

Seit Mitte April war ich wieder in Kiel und setzte mangels seglerischer Höhepunkte im Rest des Jahres zunächst mein Studium der Psychologie fort. Ich habe es genossen, seit 14 Jahren das erste Mal ohne Wochentraining beschäftigt zu sein, mich mit Kommilitonen und Freunden zu treffen, in Berlin das PYC Bundesliga Team anzufeuern, einen gebrochenen Mast auf dem Folkeboot meines Vater abzubergen und mich damit zu beschäftigen, viel Sport zu machen und meine Praktika im zweiten Halbjahr zu organisieren. Im Juni stand eine Piratenregatta auf dem Steinhuder Meer mit Hannah, meiner Trainingspartnerin der letzten 2 Jahre auf dem Programm. Keine Bange, der ILCA ist schon noch ne Nummer cooler als der Pirat aber trotzdem war es wirklich lustig und zu lernen gab es auch viel, da das Boot ja sowas verrücktes wie einen Spi hat ;-). Dann die Kieler Woche in Kiel mal von Land aus und bald die olympischen Spiele vor dem Fernseher. Ich freue mich aktuell, mal wieder im Club zu sein, die eine oder andere Mittwochsregatta mit dem Folkeboot zu beglücken und mit vielen von Euch schnacken zu können. Ich bedanke mich herzlich für Eure Unterstützung, Eure Gedanken und danke dem Vorstand für die Förderung der vielen Vorhaben. Ich hoffe, dass ich vielleicht schon in dieser Saison viele meiner Erfahrungen an die PYC Segler weitergeben kann (so wie im letzten Jahr, als ich die Chance hatte, mit Bruno gemeinsam die ILCA SeglerInnen aus dem PYC in Kiel betreuen zu dürfen) und auch die UHU Segler vor der IDMa im PYC zu ihrer Dosis Hardcore Training kommen ;-) Nach den olympischen Spielen werden im Herbst die Karten neu gemischt und die Kader neu bestimmt. Mal sehen, was das Jahresende dann so bringt. 

 

Eure Gesa