Für die Bordbibliothek

08. Mai 2021
Kategorie: 
Sonstige

Dirk W. Mennewisch: Out of Office – Freiheit unter Segeln
(Delius Klasing, 5. Aufl. 2019. 288 Seiten, 29 Fotos und Abb. - ISBN 978-3-667-11675-8 . - 14,90 €)

„Bewaffnet mit der Bereitschaft, im Zweifel die allerletzte Konsequenz zu ziehen, betrat ich das Büro meines Chefs und zitierte ihn mit den Worten: „Wenn Sie in Ihrem Leben noch Wünsche und Träume haben, versuchen Sie, diese umzusetzen, bevor Sie beruflich und privat Verantwortung übernehmen müssen. Und genau deswegen bin ich hier um Sie um Zeit zu bitten!“ Nach einem kurzen „wofür?“ und „wie lange?“ erhielt ich seine Zustimmung innerhalb von 10 Minuten“.

Mit nur 600 sm Segelerfahrung sticht im August 2009 der damals 26-jährige Dirk Mennewisch einhand von Hamburg aus in See Richtung Karibik zu einer 9-monatigen Auszeit von seinem Job als Steuerberater: „Out of Office“. Seine fast gleichaltrige Yacht, ein Einzelbau vom Typ Koopmanns 32, hat er erst kurz zuvor in den Niederlanden erworben und sie in Wochenendarbeit mit Hilfe von Freunden und seiner Familie für die Langfahrt ausgebaut.
Freiheit unter Segeln ist das Motto, das ihn antreibt und ihn nach der Verabschiedung in Glücksstadt zunächst einer alten Neugier folgend seinen Bug Richtung Schottland richten lässt. Nach einem kurzen, technikbedingten Abstecher nach Norwegen führt ihn seine Route zunächst bis zu den Shetland Inseln, um von da aus südwärts das schottische Festland von Inverness bis Oban auf dem kaledonischen Kanal zu durchqueren. Der ihm dabei teilweise bereits vorauseilende Ruf als Caribbean Boy unterstützt seine offensichtliche Kontaktfreudigkeit. So liest sich sein mit vielen Anekdoten angefüllter Reisebericht spannend wie das Tagebuch eines Sommerurlaubs. Die ersten noch mit Rückblicken angefüllten Kapitel, in denen der Leser erst nach und nach die Geschichte vor der Geschichte kennenlernt, nehmen ab da an Linearität zu und machen stets neugierig auf das, was als Nächstes kommen mag.
Weiter geht´s auf der Westseite von Großbritannien gen Süden nach Irland und damit der zunehmend herbstlichen Jahreszeit entsprechend stets weiter in wärmere Gefilde. Quer durch die Biskaya nach Portugal und dann weiter über Madeira zu den Kanaren sind seine nächsten Stationen. Der jedem Kapitel in Form eines „Ladebalkens“ vorangestellte Zeitraum mit den gesegelten Seemeilen beruhigt zu diesem Zeitraum den Leser noch, da beide Balken nur langsam parallel voranschreiten und viel weitere, spannende Unterhaltung versprechen. Die von dem recht selbstsicheren Erzähler dann doch eingestandene Lernkurve als Skipper, Maschinist, Smutje oder Crew ist dabei mit Genuss zu verfolgen.
Das Alleinsein während der Atlantiküberquerung ist für ihn eine bezaubernde Welt fernab den Festlands mit einem allgegenwärtigen Blau, das einfach glücklich macht. Zu Nikolaus noch irgendwo mitten auf dem Atlantik, erreicht Dirk Mennewisch nach 23 Tagen auf See rechtzeitig vor Weihnachten Antigua und darf als Belohnung die Feiertage und den Jahreswechsel an Traumstränden in der Karibik verbringen. Seine mit dem Leser geteilte Freude am Alleinsegeln, seine Beobachtungen der Natur, alles gewürzt mit etlichen Geschichten von Begegnungen mit Seglern, Crews und Menschen verschiedener Kulturen machen das Lesen des Buchs zu einem Genuss.
Die Weiterreise nach dem Jahreswechsel führt ihn mit seiner „M“ – so heißt seine Yacht – in etlichen kurzen Etappen nordwärts über die Bahamas bis nach Florida, wobei zwischendurch auch Familie an Bord zu Gast ist. Einhand wird dann kurzerhand eine Weile ausgesetzt. Dafür kann es schon mal passieren, dass Fußspuren am weißen Strand einer mit dem Dinghi angesteuerten Mini-Insel zur sofortigen Weiterfahrt veranlassen, um für ein paar Stunden ein unberührtes Stück Karibik ganz allein für sich zu haben.
Bis Amerika haben sich dann die beiden „Ladebalken“ der Seemeilen und der Reisetage doch zu deutlich unterschiedlicher Länge entwickelt. Die Antwort auf dieses Rätsel ist dann die Rückfahrt über den Atlantik, die wegen der knapper werdenden Zeit „Out of Office“ und der nicht wirklich einladenden Wetterlage auf dem Atlantik, Huckepack auf einem Holländischen Frachter erfolgt. So kreuzt SY “M“ trockenen Fußes ihr eigenes Kielwasser in der Biskaya wenige Stunden vor der Rückkehr nach Europa. Lediglich die letzten 137 Seemeilen von der Ems bis nach Glückstadt, dem Heimathafen der „M“, werden im März 2010 wieder auf eigenem Kiel zurückgelegt.

Ein kurzweiliges Buch, das schon mal für eine halbe durchlesene Nacht sorgen kann und den Leser dabei in die wunderbare Welt des Segelns entführt, wie es jeder von uns eigentlich könnte – wenn er denn wirklich wollte.

Dr. Eckhard Hunger

 

Duncan Wells: Stressfrei An– und Ablegen : perfekte Manöver für Segler und Motorbootfahrer
(Delius Klasing, 1. Aufl. 2021. 112 Seiten, 363 Fotos und Abb. - ISBN 978-3-667-12018-2. - 19,90 €)

Dieses Handbuch enthält lt. Verlag die themenbezogenen Auszüge aus den ebenfalls bei Delius Klasing erschienenen und von Duncan Wells verfassten Büchern „Stressfrei Segeln“ und „Stressfrei Motorbootfahren“. Das 112-seitige Werk legt Wert auf Anschaulichkeit (363 Fotos und Abbildungen) bei zum Teil sehr knappen Texten mit dem Ziel, die einzelnen Manöver oder Schritte komprimiert abzubilden. In sieben Kapiteln werden in Kurzform folgende Inhalte behandelt:
- Vorbereitung im Sinne Grundlagen (u.a. Leinen aufschießen, werfen, belegen, knoten, vor-/ rückwärtsfahren bei Wind/Strömung mit 1 oder 2 - Motoren und 1 oder 2 Rudern)
- Ablegen aus den verschiedensten Situationen sowie
- Anlegen; beide Aktionen auch bei Liegen im Päckchen und an Bojen
- Ankern (u.a. Grundregeln, Kettenmarkierung, Umgehung der Winde, unklarer Anker)
- Knoten (3 Seiten) und 1 Seite Fachbegriffe
Die einzelnen Seiten sind am Rand farblich markiert zur Unterscheidung nach Anwendung bei Segelyachten, Motorbooten oder beiden. Der reine Motorboot-Anteil beläuft sich auf 26 Seiten und damit ein knappes Viertel des Umfangs; reine Segler-Anleitungen finden sich auf 33 Seiten. Auf dem „gemischten Rest“ finden sich i.d.R. jeweils Zeichnungen in Draufsicht für beide Bootsarten.
Das Querformat mit Ringbuchbindung und kurzen Texten erfüllt natürlich das angestrebte Ziel, das Handbuch im Cockpit zu nutzen, denn gebundene Bücher schlagen sich in der Regel schnell selbst wieder zu. Durch die meist großen Abbildungen wird der Inhalt tendenziell auch anschaulich vermittelt, nur fehlen mir teilweise etwas ausführlichere Erläuterungstexte, auch wenn zum Lesen im Cockpit u.U. keine Zeit vorhanden ist. Ob die Kombination für Motor- und Segelboote sinnvoll ist, mag jeder für sich selbst entscheiden.
Im Vergleich bietet das oben erwähnte, als Paperback gebundene Buch „Stressfrei Segeln“ des gleichen Autors für 3 € Aufschlag mehr Inhalt (160 Seiten) über das An- und Ablegen hinaus mit Ausrichtung auf kleine Crews und Einhandsegler. Es enthält statt – zugegeben anschaulicher - Zeichnungen in Draufsicht mehr Fotos, aber dafür auch diverse QR-Codes, mit denen man zu entsprechenden Erläuterungsvideos geleitet wird. Und wenn die QR-Code-Erkennung nicht funktionieren sollte (wie bei mir), dann kann man alle Videos auf der Homepage des Verlags unter dem Buchtitel „Stressfrei Segeln“ anklicken und ansehen.

Hans-Joachim Motzkus

(Der Verlag bietet eine Leseprobe auf seiner Website an.)